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Goldpreis: Die 10 wichtigsten Einflussfaktoren

Goldwissen Arnulf Hinkel, Finanzjournalist – 15.05.2020

Erfahren Sie, wie der Goldpreis auf Zinsänderungen, Inflation, industrielle Innovation, Aktienindizes, Zentralbank-Entscheidungen und Krisen reagiert.

Eine der vielen Besonderheiten von Gold ist seine Doppelfunktion: Das Edelmetall ist sowohl knapper Rohstoff als auch Wertanlage. Deshalb hängt die Entwicklung der Nachfrage und damit die Goldpreisentwicklung von deutlich mehr Faktoren ab als beispielsweise der Kursentwicklung einer Aktie. Das ist auch der Grund dafür, dass der Goldpreis häufigen Schwankungen ausgesetzt ist – auch, wenn der Kurs in den letzten Jahren hauptsächlich gestiegen ist. Die wichtigsten Einflüsse auf den Goldpreis lassen sich in langfristige, mittelfristige und kurzfristige Faktoren gliedern. Zu den eher langfristigen Faktoren, die den Goldpreis beeinflussen, zählt das Wirtschaftswachstum in einzelnen Ländern ebenso wie auf globaler Ebene. Dagegen können geopolitische Krisen oder massive strategische Goldkäufe oder -verkäufe von Großanlegern auf den Terminmärkten die Goldpreisentwicklung nur kurzfristig beeinflussen.

Mit dem Wohlstand steigt die Nachfrage nach Gold

Die Entwicklung des Volksvermögens und das Wirtschaftswachstum eines Landes oder einer Region sind langfristig wichtig für die Goldpreisentwicklung, denn Phasen der Hochkonjunktur wirken sich sehr günstig auf die Goldnachfrage aus. Ganz gleich ob in Form von Münzen, Barren oder mit physischem Gold abgesicherten Wertpapieren: Erst ab einer gewissen Einkommenshöhe fragen Menschen Gold in größeren Mengen nach. Das Gleiche gilt für die Nachfrage nach wertvollem Goldschmuck: Nur wer es sich leisten kann, legt sich diese Luxusgüter zu. Gut beobachten lässt sich dies beispielsweise an der Entwicklung der privaten Goldnachfrage in China, die in den letzten Jahren explosionsartig gewachsen ist. 

Zentralbanken setzen auf Gold als Währungsreserve

Laut Angaben des World Gold Council haben Zentralbanken weltweit ihre Goldvorräte in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut und damit tendenziell den Goldpreis gestützt: Rund 34.789 Tonnen Gold lagern heute in ihren Tresoren, davon 10.776 Tonnen allein bei den Zentralbanken in der Eurozone (inklusive der EZB), wo Gold 59 Prozent der gesamten Währungsreserven bestreitet. Sollte sich diese langfristige Strategie der Zentralbanken ändern, könnten die resultierenden Goldverkäufe den Markt überschwemmen und damit den Preis des Edelmetalls drücken.

Industrielle Anwendungen beeinflussen die Goldpreisentwicklung

Etwa die Hälfte des weltweit nachgefragten Goldes fließt direkt in die Schmuckindustrie. Darüber hinaus gibt es jedoch zahlreiche andere industrielle Verwendungen für Gold. So fahren z.B. nach einer Studie der Technischen Universität Chalmers in Göteborg, Schweden, rund 440 Tonnen Gold als Bestandteil von Autos auf Europas Straßen. 

In der chemischen Industrie ist Gold als Katalysator nicht wegzudenken, und auch in der Medizin wird das Edelmetall immer wichtiger: Gold ist wichtiger Bestandteil von Schnelltests zur Erkennung zahlreicher Krankheiten wie z.B. Malaria und wird aktuell auch in den meisten COVID-19-Tests verwendet. Auch therapeutisch wird Gold erfolgreich bei der Behandlung von Gelenkerkrankungen wie Rheuma eingesetzt.
Aufgrund seiner extremen Dehnbarkeit und Leitfähigkeit ist das Edelmetall auch unverzichtbarer Bestandteil vieler mobiler Anwendungen wie Smartphones und smarter Wearables. Gerade hier sind perspektivisch starke Wachstumsraten zu erwarten, was tendenziell den Goldpreis stützen dürfte.

Nicht nur die Nachfrage steuert den Goldpreis langfristig

Gold ist als rarer, aufwendig zu fördernder Rohstoff ein wertvolles Gut. Seit 2012 wurden weltweit keine nennenswerten neuen Goldvorkommen mehr entdeckt, und nach Angaben des Finanzinformationsdienstes SNL könnten die heute bekannten Fördermöglichkeiten in zwölf Jahren erschöpft sein – vorausgesetzt, die anhaltend hohe weltweite Goldnachfrage hält an. Diese liegt seit zehn Jahren bei über 4.000 Tonnen jährlich. 

Nach einer Studie der Edelmetall-Beratungsgesellschaft Metals Focus liegt der Preis für die Förderung einer Feinunze Gold in einer bestehenden Goldmine bei 1.150 US$. Weitaus teurer wird es, wenn eine Minengesellschaft bislang ungenutzte Goldvorkommen erschließen und neue Produktionsstätten bauen muss, was bis zu 15 Jahre dauern kann: Dann liegt der sogenannte Incentive-Preis sogar bei 1.500 US$ pro Feinunze. Fällt der Goldpreis unter diese Schwelle, lohnt sich die Neuerschließung von Goldvorkommen für Minengesellschaften schlicht nicht mehr.

Aus diesem Grund ist es für Preisentwicklung des Edelmetalls durchaus wichtig, wie viel Gold überhaupt in den Minen gefördert wird. Einblick in die Fördermengen bieten die Jahresbilanzen der großen Goldproduzenten, die auf ihren Webseiten im Investor-Relations-Bereich entsprechende Daten veröffentlichen. Dort finden sich auch Angaben über Gold-Recycling, das immer wichtiger und auch lohnender für Goldproduzenten wird. Laut der Fachzeitschrift "EU-Recycling und -Umwelttechnik" wird die weltweite Goldnachfrage heute bereits zu 30 Prozent aus recyceltem Gold gedeckt. 

Hohe Inflation kann mittelfristig den Goldpreis beflügeln

Die Geschichte hat es oft genug gezeigt: In Zeiten hoher Teuerungsraten wie z. b. in den 1970er Jahren in den USA ist häufig der Goldpreis stark gestiegen. Auch bei der jährlichen Umfrage 2018 bei den Zentralbanken zu deren Motivation zum Ausbau ihrer Goldreserven nannten 55 Prozent die Funktion des Edelmetalls als Inflationsschutz. Allerdings kann es auch passieren, dass der Goldpreis bei weniger hohen Inflationsraten nur wenig profitiert – etwa, wenn inflationsindexierte Staatsanleihen als verzinste Alternative dienen können.

Das Zinsniveau hat großen Einfluss auf den Goldpreis

Gold gilt seit jeher als härteste Währung der Welt; das Edelmetall ist keinerlei Alterungsprozessen ausgesetzt und ist im Gegenteil zu vielen Wertpapieren keinem Ausfallrisiko ausgesetzt. Allerdings teilt Gold mit Währungen auch eine andere Eigenschaft: Es bietet keinerlei Rendite in Form von Zinsen oder einer Dividende. Die Wertsteigerung findet ausschließlich über eine Goldpreiserhöhung statt. Damit hat Gold nicht nur einen Nachteil gegenüber Aktien, Anleihen und anderen Wertpapieren, sondern auch gegenüber Geldmarktprodukten – vom Tagesgeldkonto bis zum Sparplan. Aus diesem Grund reagiert der Goldpreis empfindlich auf Bewegungen im Zinsniveau, die in aller Regel durch mittelfristige Leitzinsänderungen durch Zentralbanken einzelner Länder oder – in der Eurozone – durch die EZB ausgelöst werden. Steigen die Realzinsen – das sind die um die Inflationsrate bereinigten Zinsen –, kann sich dies negativ auf den Goldpreis auswirken, denn nun werden andere Anlagemöglichkeiten attraktiver. Umgekehrt profitiert der Preis von niedrigen Realzinsen, wie sie heute in vielen Ländern üblich sind: Sowohl in den USA als auch in der Eurozone herrscht seit Jahren eine strikte Niedrig- bzw. Nullzinspolitik. 

Allerdings reagiert der Goldpreis auf Zinsbewegungen nicht immer auf die gleiche Weise: Auf die Richtung kommt es an, wie der World Gold Council in einer US-Studie herausgefunden hat. Während sich in Zeiten negativer Realzinsen in den USA der Preis pro Feinunze tendenziell doppelt so gut entwickelte wie im langjährigen Mittel, blieb die Entwicklung des Goldpreises bei positiven Realzinsen bis zu einem Niveau von 2,5 Prozent ebenfalls positiv. Erst bei Realzinserhöhungen über diesem Niveau wurde der Goldpreis geschwächt. 

US-Dollar: die wichtigste Währung für die Goldpreisentwicklung

Wie die meisten Rohstoffe wird auch Gold auf dem Weltmarkt volumenmäßig hauptsächlich gegen den US-Dollar gehandelt. Außerdem sind sowohl US-Dollar als auch Gold bei den Zentralbanken weltweit begehrte Fremdwährungsreserven. Es ist kein Zufall, dass die US-Notenbank Fed die mit Abstand größten Goldreserven besitzt. In den Zeiten des Goldstandards waren Goldpreis und US-Währung sogar aneinander gekoppelt. Heute geben sich US-Dollar und Goldpreis vor allem gegenseitig kurzfristig Impulse: Ein starker Dollar schwächt tendenziell den Goldpreis bzw. ein starker Goldpreis die US-Währung, ein schwacher Dollar hingegen kann den Goldpreis steigen lassen. Allerdings gilt dies nicht in gleichem Maße in beide Richtungen, wie eine Analyse des World Gold Council aus dem Jahr 2018 anhand der Auswertung monatlicher Golddaten von Januar 1971 bis März 2018 belegt: In Zeiten eines schwachen Dollars steigt der Goldpreis tendenziell doppelt so stark als er bei einem steigenden Dollar fällt. Diese asymmetrische Beziehung ließ sich auch bei der Goldpreisentwicklung in Bezug auf andere Währungen beobachten: Während der europäischen Finanzkrise verhielt sich der Goldpreis im Vergleich zum Euro ganz ähnlich. Diesen Umstand nutzen deshalb viele professionelle Investoren, um sich mit Gold gegen mögliche Schwächen von US-Dollar, Euro und anderen Währungen abzusichern.

Entwicklungen am Aktienmarkt können den Goldpreis beeinflussen

Aktienindizes wie der DAX® oder der EURO STOXX 50® spiegeln die Wirtschaftsleistung eines Landes bzw. einer Region wider: In konjunkturellen Hochphasen steigt ein Index, in wirtschaftlichen Krisenzeiten gibt er nach. Solche Entwicklungen sind meist mittelfristig und können den Goldpreis treiben – sie müssen aber nicht. Tendenziell bieten die Aktien florierender Unternehmen zwar attraktive Alternativen zur Goldanlage, gleichzeitig bedeutet eine Hochkonjunktur aber auch wachsenden Wohlstand, was sich bekanntermaßen in einer höheren Goldnachfrage niederschlagen kann. Außerdem kann die Sorge vor zukünftigen Krisen, die sich noch nicht in der Performance eines Aktienindex niederschlägt, trotz Hochkonjunktur zu mehr Goldinvestments führen. Als Beispiel seien nur die Eurozone und die USA von Ende 2018 bis Anfang 2020 genannt, wo trotz Höchstständen in den Aktienindizes auch Gold eine ebensolche Rallye hinlegte.

Geopolitische Unsicherheiten treiben den Goldpreis in die Höhe

Der Spruch „Ob in China ein Sack Reis umfällt …“ hat schon lange ausgedient: In unserer globalisierten Gesellschaft gibt es kaum noch regional begrenzte Krisen, die außerhalb der unmittelbar betroffenen Region keinerlei Auswirkungen auf den Rest der Welt haben. Man denke nur an den schwelenden Handelskonflikt zwischen den USA und China oder den Brexit: Beide Krisensituationen haben den Goldpreis nachhaltig befeuert. Ebenso können regional eng begrenzte Kriege oder die Gefahr von Kriegshandlungen dazu führen, dass Anleger weltweit Gold als bewährten „sicheren Hafen“ ansteuern, wie das Edelmetall nicht umsonst genannt wird. So erlebte Gold beispielweise ein Rekordhoch, als die Sowjetunion 1980 in Afghanistan einmarschierte. 

Entwicklungen bei Großanlegern von Gold haben Gewicht

Die Schwarmintelligenz nutzen oder den Investment-Profis über die Schulter schauen – beides kann von Vorteil sein, um die mögliche Goldpreisentwicklung einzuschätzen. Gelegenheit dazu bieten die Bestandsdaten sogenannter Gold-ETCs. 

Ein ETC – kurz für Exchange Traded Commodity – ist ein börsengehandelter Rohstoff-Fonds, von dem Anleger wie bei anderen Investmentfonds Anteile erwerben können. Da diese Anteile in der Regel Zertifikate oder Schuldverschreibungen sind, die Anleger im Falle einer Insolvenz des Fonds-Emittenten nicht vor Totalverlust schützen würden, sind viele dieser Fonds physisch mit Goldbarren abgesichert, d.h. für jeden verkauften Anteil eines Gold-ETC ist in eine entsprechende Menge echtes Gold hinterlegt. Hier kommen große Mengen Goldes zusammen. So umfasst allein der Bestand von Xetra-Gold, dem europaweit meistgehandelten Gold-ETC mit physischer Absicherung, mehr als 200 Tonnen Goldbarren. Anhand der Veränderungen in den Bestandsdaten von Gold-ETCs, die täglich von Nachrichtenagenturen wie Reuters oder Bloomberg veröffentlicht werden, lässt sich leicht ersehen, wie die aktuelle Nachfragesituation von Gold aussieht – und ob der Goldpreis tendenziell steigt oder fällt.

Die Vielzahl der Einflussfaktoren erschwert eine Prognose 

Könnte man den Goldpreis unter Laborbedingungen im Zusammenspiel mit einem der aufgeführten Einflussfaktoren beobachten, wäre eine einigermaßen zuverlässige Prognose über die weitere Goldpreisentwicklung möglich. In der Realität sieht dies leider anders aus. Hier interagieren lang- und mittelfristige Faktoren, deren Wirkung dann plötzlich von kurzfristigen Einflüssen geschwächt oder sogar nivelliert wird. Manchmal steuern Ereignisse den Preis des Edelmetalls, die gar nichts mit dem Goldmarkt zu tun haben. So jüngst geschehen, als die Corona-Pandemie sich zur weltweiten Krisensituation ausweitete. Erwartungsgemäß gab es signifikante Einbrüche an den Aktienmärkten, während Gold als sicherer Hafen deutlich an Wert zulegte. Doch plötzlich sank der Goldpreis – und das, obwohl die gleichzeitige Leitzinssenkung in den USA aller Erfahrung nach ein zusätzlicher Ansporn für die Goldnachfrage hätte sein müssen. Was war geschehen? Hatten sich Rohstoffexperten und Analysten weltweit all die Jahre geirrt? Nein, der Grund für das Nachgeben des Goldpreises lag ganz woanders: Zahlreiche Großinvestoren mussten ihre umfangreichen Goldkäufe auf dem Terminmarkt auflösen, um liquide genug zu sein, damit sie ihren durch Verluste auf dem Aktienmarkt entstandenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen konnten. 

Die einzelnen Einflussfaktoren auf den Goldpreis sollten immer in ihrer Gesamtheit betrachtet und im Kontext mit Entwicklungen auf anderen Märkten bewertet werden, um auf diese Weise eine gewisse Vorstellung davon zu bekommen, in welche Richtung sich das Edelmetall in der nahen Zukunft entwickeln könnte. Eine sichere Prognosemöglichkeit hingegen gibt es nicht – wie bei allen Anlagemöglichkeiten. 

Foto: © PantherMedia / SerendipityDiamonds

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