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Goldrausch: der Traum vom schnellen Reichtum

Goldwissen Arnulf Hinkel, Finanzjournalist – 20.12.2022

Was ist ein Goldrausch – und wie entsteht er? Berühmte Fälle von Goldfieber in Kalifornien, Colorado, Montana, Südafrika, Australien und Alaska.

Vermutlich begehren Menschen Gold bereits seit vielen Jahrtausenden – als Schmuck, als Insignium von Macht und Wohlstand, als Wertspeicher und als Zahlungsmittel. Ein eindrucksvoller Beleg dafür ist das Gräberfeld von Warna, das auf 4.500 v. Chr. datiert wird. Spätestens ab 560 v. Chr. wurde Gold in Münzform vom legendären König Krösus als standardisiertes Zahlungsmittel eingeführt. In vielen uralten Überlieferungen ist von Gebieten die Rede, in denen das wertvolle Edelmetall praktisch auf der Straße lag, und schon in der Bibel ist vom Goldland Ophir die Rede. Ab dem 15. Jahrhundert durchquerten spanische Glücksritter die Weltmeere auf der Suche nach Eldorado, dem goldenen Land.

Warum dauerte es trotzdem bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, bis der erste Goldrausch entstand? Die heute bekanntesten Goldräusche fanden sogar erst im 19. Jahrhundert statt. Um das späte Entstehen der massenhaften, oft spontanen und häufig völlig strategielosen Jagd nach dem Edelmetall zu verstehen, hilft ein Blick auf die Dimensionen, die eine Jagd nach Gold haben muss, um sich per definitionem als Goldrausch zu qualifizieren. Ein Beispiel: Im Rahmen des Kalifornischen Goldrauschs siedelten sich innerhalb eines Jahres über 80.000 Menschen in Kalifornien an, und die Zahl der Einwohner von San Francisco wuchs in weniger als zwei Jahren um das 25-fache. 

Damit derart starke Immigrationsbewegungen binnen kurzer Zeit entstehen konnten, waren zwei Voraussetzungen nötig, die es vorher einfach nicht gegeben hatte: zum einen umfangreiche Transportmittel und -wege, um solche Menschenmengen binnen kurzer Zeit zu bewegen. Zum anderen überregionale Informations- und Kommunikationsstrukturen, die Hunderttausende von Menschen zeitnah ansprechen konnten. Im 19. Jahrhundert herrschten außerdem in vielen Gegenden der Welt Armut und Hungersnöte, was die Bereitschaft vieler Menschen erhöhte, sich aufgrund reiner Gerüchte über große Goldvorkommen in eine möglicherweise lebensgefährliche Jagd nach Gold zu stürzen. 

Goldfieber in Europa

Der erste und bis heute einzige Goldrausch in Europa entwickelte sich sehr langsam: Im finnischen Teil von Lappland wurde bereits in den 1830er Jahren Gold gefunden, allerdings zunächst in sehr geringen Mengen. Die Zahl der Goldsucher, die davon angelockt wurden, war überschaubar. Erst Berichte über größere Funde und besonders die finnischen Hungersnöte von 1866 und 1868, infolge deren 10 Prozent der Bevölkerung starben, befeuerten die Suche nach dem schnellen Reichtum und gaben der verzweifelten Bevölkerung etwas Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Viele Goldsucher mussten allerdings als billige Arbeitskräfte für vermögende Unternehmer schuften, die das nötige Kapital für Werkzeuge und Transportmittel mitbrachten. Zentrum des finnischen Goldrauschs war die Region um die Stadt Nulkamukka am Fluss Ivalojoki. Das zunächst völlig unkontrollierte Treiben wurde 1870 von Zar Alexander II. legalisiert, um die Steuereinnahmen zu erhöhen. Diese Zeit stellt auch den Höhepunkt des europäischen Goldrauschs dar. Danach flachte das Goldfieber in Lappland wieder sehr stark ab. Nichtsdestotrotz werden auch heute noch jedes Jahr rund 20 kg Gold in Finnland geschürft. Im Gegensatz zu Gold aus großen Abbaugebieten sind finnische Gold-Nuggets unbearbeitet sogar mehr wert als zu Barren geschmolzen und werden meist im Fundzustand zu Schmuck verarbeitet. 

Amerika – Kontinent der unbegrenzten Goldräusche

Für die meisten Menschen ist das Thema Goldrausch untrennbar mit den USA verbunden, wo die bis heute wohl berühmtesten Massenereignisse dieser Art stattfanden und oft in Büchern und Filmen festgehalten wurden. Der allererste große Goldrausch auf dem amerikanischen Kontinent ab Ende des 17. Jahrhunderts fand jedoch nicht in den USA statt, sondern deutlich weiter südlich, wo dann später in den 1980er Jahren auch der bislang letzte große Goldrausch seinen Höhepunkt fand. 

Zwei der größten Fälle von Goldfieber fanden in Brasilien statt

Als 1693 eine über 1.000 Mann starke Expedition der Bandeirantes – eine mehrere tausend Mann starke paramilitärische Organisation in Brasilien – in der Nähe des heutigen Bundesstaates Minas Gerais westlich von Rio de Janeiro auf Goldvorkommen stieß, machten sich bald schon knapp 500.000 Menschen auf, um dort Gold zu schürfen. Viele von ihnen übrigens nicht freiwillig, denn es wurden massenhaft afrikanische Sklaven und Indigene zu dieser Schwerstarbeit gezwungen. Der Goldabbau im großen Stil führte dazu, dass Brasilien in kürzester Zeit zum größten Goldexporteur der Welt avancierte: Jährlich wurden 10 bis 15 Tonnen Gold nach Europa verschifft. Über das 18.Jahrhundert hinweg sollen so rund 900 Tonnen Gold exportiert worden sein. 

Der zweite brasilianische Goldrausch war der größte in Lateinamerika und bis heute einer der letzten überhaupt. Zielgebiet des Goldfiebers, das während der 1980er Jahre fast eine Million vorwiegend armer Menschen, sogenannte Landlose, aus den Küstenregionen mobilisierte, war das Dorf Sierra Pelada vor dem Mittelgebirge Nordbrasiliens. Bis zu 100.000 Goldsucher arbeiteten dort gleichzeitig. Auch wenn es zu dieser Zeit keine Sklaven mehr gab, fristete die Mehrheit der Goldschürfer ein ganz ähnliches Dasein. Die abfällig „Formigas“ (dt.: Ameisen) genannten Arbeiter leisteten gegen einen Hungerlohn Schwerstarbeit für wohlhabende Unternehmer.

Das Ergebnis: 70 Prozent des in den 1980er Jahren gemachten Gewinns verteilten sich auf nur zwei Prozent der Goldsucher. Anfang der 1990er Jahre ließ die Ergiebigkeit beim Goldtagebau stark nach, womit der über zehn Jahre andauernde Goldrausch ein Ende fand. 

Der legendäre kalifornische Goldrausch ab 1848

Als der Arbeiter James W. Marshall am 24. Januar 1848 ein Goldnugget auf einer Baustelle im kalifornischen Sacramento-Tal fand, ahnte er sicher nicht, dass dies zu einer der größten Migrationsbewegungen in den USA führen würde. Allerdings sollten noch einige Monate ins Land gehen, bevor sich Hunderttausende Goldsucher auf den Weg in Richtung San Francisco machten, wodurch die 1.000 Bewohner zählende Kleinstadt bald auf 25.000 anschwoll. 

Auslöser für den Ansturm war eine Ansprache des damaligen US-Präsidenten James K. Polk, der das Vorhandensein leicht abbaubarer Goldvorkommen in Kalifornien bestätigte, um den kurz zuvor geführten amerikanisch-mexikanischen Krieg um Kalifornien zu legitimieren. 

Der völlig unkontrollierte Zuzug der Goldschürfer führte zu vielen Problemen, u.a. zu Seuchen und Rattenplagen. Auch die Vergiftung von Flüssen und Grundwasser durch das zur Goldgewinnung eingesetzte Quecksilber – angeblich über 7.000 Tonnen – gefährdete massiv die Gesundheit der Anwohner. Am meisten litt die indigene Bevölkerung unter dem Goldrausch. Durch Krankheiten und Vertreibung starben im Laufe weniger Jahre 119.000 der 150.000 Indigenen. Als direkte Auswirkung des Goldrauschs wurde Kalifornien am 9. September 1850 zum 31. Bundesstaat der USA ernannt und erhielt später den offiziellen Spitznamen „Golden State“.  

Colorado Gold Rush: von 1858 bis in die 1870er Jahre

Ausgelöst wurde der Run auf den heutigen „Colorado Mineral Belt“ vor den Rocky Mountains durch den Bericht einer Cherokee, deren Stammesangehörige in einem Arm des South Plate River Gold gefunden hatten. Ihr Ehemann, ein weißer Bergarbeiter, machte sich mit Freunden auf die Suche nach dem Bach und stieß im Juni 1858 tatsächlich auf Goldvorkommen.

Zeitungsberichte und Mundpropaganda lösten schnell einen anhaltenden Goldrausch aus, der zur Errichtung etlicher Städte aus dem Nichts führte. So entstand beispielsweise die heutige Großstadt Denver. Diese Städte, allen voran die Bergarbeitersiedlung Telluride, dienten nicht nur Tausenden von Goldschürfern als Bleibe, sondern boten auch den meistgesuchten Verbrechern Unterschlupf – beispielsweise Butch Cassidy. Die Zuwanderung führte 1876 schließlich – analog zum kalifornischen Goldrausch – zur Gründung des 38. Bundesstaats Colorado. 

Der Montana Gold Rush von 1863 bis Ende der 1860er Jahre

In Alder Gulch, einem kleinen Ort im Tal des Ruby River in Madison County, Montana, entdeckte eine Gruppe Bergleute Gold. Schnell wurde die 80 Meilen entfernte Stadt Bannack zum Stützpunkt der Goldgräber und 1864 zur ersten Hauptstadt von Montana, die im Folgejahr nach Virginia City verlegt wurde. 

Alder Gulch blieb nicht der einzige Ort mit Goldvorkommen: 1865 fanden vier Goldsucher – „Die Deutschen“ genannt – in einer Schlucht namens Montana Bar nahe der Stadt Helena gewaltige Mengen des Edelmetalls. Schätzungen zufolge wurde zur Blütezeit des Montana Gold Rush eine Goldmenge im heutigen Wert von bis zu 637 Mio. US$ gefördert. 

Der Black Hills Gold Rush von 1874 bis Ende der 1870er Jahre

Dieser Goldrausch wurde durch den Bericht eines Missionars ausgelöst, er habe gesehen, wie Indigene vom Stamm der Sioux Gold aus den Black Hills im Dakota-Territorium transportierten. Es war kaum mehr als ein Gerücht, reichte jedoch, um Goldschürfer die Gegend zu locken. Da die Black Hills zum Sioux-Gebiet zählten, gab die indigene Bevölkerung das ihnen vertraglich durch die US-Regierung zugesicherte Gebiet nicht kampflos auf.

Deshalb konnten Glücksritter erst im großen Stil nach Gold suchen, nachdem Lieutenant Colonel Custer mit einer über 1.000 Mann starken Truppe nach Black Hills gekommen war. Als besonders ergiebig erwiesen sich Goldvorkommen in Deadwood Gulch, worauf Tausende von Goldschürfern dorthin reisten und u.a. die Siedlung Deadwood gründeten. Diese wuchs von anfänglich 400 Einwohnern binnen weniger Monate auf 5.000. 

Alaska: Goldrausch am Klondike River von 1896 bis 1898

Auch der äußerste Norden der USA wurde nicht von Massenimmigration durch Goldsucher verschont: Ab 1896 strömten mehr als 100.000 Goldsuchende an den Klondike River nahe der Stadt Dawson. Glücksjäger wie diese hatten in der Zwischenzeit den abfälligen Spitznamen „Stampeders“ erhalten, angelehnt an den Begriff „Stampede“, der herdenhafte Fluchtbewegungen von Büffeln und Rindern bezeichnet. Damit sich menschliche Tragödien wie bei den vorigen Goldräuschen auf US-Gebiet nicht wiederholten, verpflichtete die US-Regierung jeden Goldsucher zur Mitführung von Ausrüstung und Lebensmitteln für ein Jahr.

Der Goldrausch führte zur Errichtung des Yukon-Territoriums sowie zur Festlegung der Grenze zwischen Alaska und Kanada am Klondike River. Trotz der relativ kurzen Phase des Goldfiebers wurden im Klondike-Gebiet bis heute rund 570 Tonnen Gold gewonnen, was einem aktuellen Gegenwert von mehr als 32 Mrd. US$ entspricht. Der Stummfilmklassiker „Goldrausch“ von Charlie Chaplin basiert auf den Ereignissen am Klondike. 

Crazy Down Under: Goldfieber in Australien und Neuseeland im 19. Jahrhundert

Es begann mit einem Superfund:  Am 12. Februar 1851 barg der britische Entdecker Edward Hargraves in einem Fluss nahe Bathurst einen Goldquarzblock, der nicht weniger als 40 kg Gold enthielt. Um einem unkontrollierbaren Goldrausch wie in den USA vorzubeugen, versuchte die australische Regierung die Meldung dieses ersten bedeutenden Goldfundes zu verhindern. Weitere Entdeckungen von Goldvorkommen machten dies jedoch unmöglich. Neben Bathurst avancierten im Laufe des Jahres auch Bendigo, Ballarat und Mount Alexander zu Sehnsuchtsorten von Glücksrittern; im späteren 19. Jahrhundert kamen noch Funde in Temora in North South Wales, Teetulpa und Coolgardie dazu. 

Am ergiebigsten erwies sich das Goldvorkommen am Mount Alexander: 1852 wurde es als größtes Goldfeld der Erde eingestuft. Mitte der 1850er Jahre erreichte das australische Goldfieber seinen Höhepunkt, als kalifornische Goldschürfer sowie britische und chinesische Goldsucher massenhaft in Australien einwanderten. Innerhalb von nur einer Dekade verzehnfachte sich die Bevölkerung Australiens auf 1,2 Millionen, was zur Entwicklung der ehemaligen britischen Sträflingskolonie hin zu einem souveränen Staat führte. 

Der neuseeländische Goldrausch in den 1860er Jahren

Als 1861 die Entdeckung von Gold in der neuseeländischen Region Otago die Runde machte, entschlossen sich viele Goldsucher in Australien, auf die Nachbarinsel zu wechseln, da die australischen Goldvorkommen bereits überwiegend in der Hand von großen Minengesellschaften waren, die Goldsucher nur als billige Arbeitskräfte ausnutzten. Das Goldvorkommen in Otago erwies sich als überaus ergiebig: In nur drei Jahren wurden dort über 60 Tonnen Gold abgebaut. 

Danach zog es zahlreiche Goldschürfer an die Westküste, was den West Coast Gold Rush auslöste. In der Folge wurde 1866 das Städtchen Hokitika mit 25.000 Einwohnern zur bevölkerungsreichsten Siedlung in Neuseeland. 1867 folgte der erste Goldrausch auf der Nordinsel, und 1869 ereignete sich der letzte nennenswerte Ausbruch von Goldfieber in Kaori bei Wellington, der allerdings aufgrund geringer Goldvorkommen nur kurz andauerte. 

Goldrausch in Südafrika: die Mineral Revolution

1886 machten Gerüchte über die Entdeckung eines „modernen El Dorados“ in der Umgebung von Witwatersrand die Runde. Im Vergleich zu vorangegangenen Goldräuschen zog es relativ wenige Goldsucher in die Region. Diese allerdings kauften die einheimischen Goldbergwerke auf und ließen die Förderung von schlecht bezahlten Arbeitern erledigen. Der klassische selbständige Goldschürfer war eher eine Seltenheit. Bis heute gilt das Witwatersrand-Goldfeld als das mit Abstand größte seiner Art. Der dort ausgelöste Goldrausch war verantwortlich für die Entstehung Johannesburgs, der größten Stadt Südafrikas. Der Witwatersrand-Goldrausch sorgte innerhalb von nur zehn Jahren für einen Anstieg der Einwohnerzahl Johannesburgs auf über 100.000. Um 1900 galt die damalige Transvaal-Republik als größter Goldproduzent der Welt. Apropos Republik: Der Witwatersrand-Goldrausch hat für das heutige Südafrika noch eine weitere wichtige Bedeutung: Er wird als Auslöser der „Mineral Revolution“ gesehen, durch die sich der Flickenteppich aus Agrar-Republiken zu einer geschlossenen Industrienation entwickelte.

Was ist dran am Traum vom schnellen Reichtum?

Wie eingangs erwähnt, waren Hungersnöte und Wirtschaftskrisen wesentliche Motoren der massenhaften Migration hin zu vermeintlichen El Dorados, wo das Gold ohne irgendwelches Fachwissen entweder direkt vom Boden aufgelesen oder mit einer Schüssel aus dem Flusswasser gewaschen werden konnte. Es gibt tatsächlich belegte Beispiele für diese Art, reich zu werden – insgesamt jedoch war sie mehr Wunschdenken als Realität. Der Gedanke, durch das einfache Einsammeln von kleinen, dabei aber extrem wertvollen Nuggets schnell und mühelos reich zu werden, war wohl einfach zu verlockend. Noch heute sind einzelne Goldschürfer z.B. in Alaska oder Finnland auf der Suche nach dem schnellen Glück.
 
Die Goldräusche des 18. und 19. Jahrhunderts zeigen, dass nur wenige Menschen wirklich reich wurden – in aller Regel diejenigen, die bereits Kapital mitbrachten und andere Glücksjäger als billige Arbeitskräfte beschäftigen konnten. Viele der Ärmsten starben schon auf der mühevollen Reise in die Goldregionen oder erlagen später vor Ort Krankheiten. So blieb für die große Mehrheit der Goldsuchenden der Traum vom Reichtum genau das: ein Traum.

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