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Inflation 2022: Lohnt es sich jetzt Gold zu kaufen?

Goldwissen Arnulf Hinkel, Finanzjournalist – 20.01.2022

Lesen Sie hier, wie Inflation entsteht, wie Gold sich historisch als Inflationsschutz bewährt hat und wann der richtige Zeitpunkt zum Einstieg ist.

© PantherMedia /monticelloGanz gleich ob an der Tankstelle, bei den Energie- und Heizkosten oder im Supermarkt: Sicher haben Sie schon die Auswirkungen der seit Monaten ansteigenden Inflation gespürt. Ihr Geld wird weniger wert, während es auf dem Spar- oder Tagesgeldkonto keine Zinsen abwirft bzw. für höhere Einlagen sogar Strafzinsen fällig werden. Die Stimmen der Volkswirte, die die aktuelle Inflationsrate als kurzzeitiges Phänomen einstuften, sind mittlerweile verstummt. Die derzeitige, durch die Corona-Krise angetriebene Teuerungsrate könnte durchaus auch 2022 überdauern.

Kann Gold als seit Jahrtausenden bewährter Geldspeicher Sie vor der Inflation schützen? Lohnt sich jetzt eine Goldanlage – obwohl der Kurs auch nach der Abkühlung im letzten Jahr ziemlich hoch ist und das Edelmetall bislang auf die Inflation nur wenig reagiert hat?

Wie definieren sich Inflation, Deflation und Preisstabilität?

Unter Inflation versteht man das Anziehen des Preisniveaus auf breiter Front, nicht den Preisanstieg einzelner Produkte. Hält eine Inflation länger an, verliert Geld an Wert – also an Kaufkraft. Eine Deflation hingegen – im Vergleich zur Inflation eher selten – bezeichnet exakt das Gegenteil: den anhaltenden Rückgang des allgemeinen Preisniveaus. Verringert sich eine Inflation (z.B. von 3 auf 2 Prozent), bleibt aber positiv, so spricht man von Disflation.

Preisstabilität ist das oberste Ziel der Geldpolitik von Zentralbanken, z.B. der Europäischen Zentralbank (EZB) und der durch das Eurosystem angeschlossenen nationalen Notenbanken wie die Deutsche Bundesbank. Preisstabilität ist erreicht, wenn die Kaufkraft einer Währung weitgehend konstant bleibt. Dabei können durchaus einzelne Produkte oder Dienstleistungen teurer bzw. günstiger werden, solange sich das allgemeine Preisniveau nicht spürbar ändert.

Da eine Deflation geldpolitisch schwerer zu bekämpfen ist als eine Inflation, toleriert die EZB eine leichte Inflation bis unter zwei Prozent im Jahr. Dieser Wert wird zurzeit deutlich überschritten. Eine wirksame geldpolitische Maßnahme zur Eindämmung der Inflation wären Leitzinserhöhungen, wie sie die US-Notenbank Fed für 2022 angekündigt hat. Das Problem dabei: Mit Zinserhöhungen wird nicht nur die Geldentwertung bekämpft – auch werden Kredite für Unternehmen teurer, was einen Rückgang der Investitionstätigkeit nach sich zieht. Dadurch wird meist der Konjunkturmotor gedrosselt, manchmal sogar abgewürgt.

Kurz- und langfristige Einflussfaktoren auf die Inflation

© PantherMedia /eabffLangfristig hat vor allem die Entwicklung der Geldmenge – so wird von Volkswirten der gesamte Geldbestand von Nichtbanken eines Landes oder einer Währungsunion genannt – einen großen Einfluss auf die Inflation: Wenn die Geldmenge überproportional zur Wirtschaftsleistung wächst, kann dies zu einer anhaltenden Inflation führen.

Kurzfristig sind andere Faktoren ausschlaggebend. So kann eine Preissteigerung einerseits durch eine erhöhte Nachfrage nach bestimmten Produkten entstehen – speziell, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt. Hierbei entsteht ein Preisdruck, der zu einer sogenannten nachfrageinduzierten Inflation führt.

Ebenso ist es jedoch möglich, dass Preissteigerungen auf der Angebotsseite entstehen, wenn nämlich die Herstellung von Produkten oder das Angebot von Dienstleistungen teurer wird, z.B. durch Preiserhöhungen von Energieträgern, Rohstoffen oder Arbeitslöhnen. In diesem Fall spricht man von angebotsinduzierter Inflation. Wenn die Preissteigerungen speziell bei Produkten oder Rohstoffen wie Öl aus dem Ausland auftreten, wird dies auch als importierte Inflation bezeichnet.

Die aktuelle Inflation, die sich in den USA und einigen europäischen Staaten wie Deutschland besonders stark bemerkbar macht, stellt eine Kombination aus angebotsinduzierter Inflation und Geldmengenausweitung dar: Zum einen vergaben Regierungen im großen Stil Kredite sowie nicht rückzahlbare finanzielle Hilfen, um die Unternehmen während der Lockdown-Phasen in der Corona-Pandemie vor Liquiditätsengpässen bis hin zur Zahlungsunfähigkeit zu bewahren. Dies verstärkte jedoch die Folgen der seit der Finanzkrise 2008/2009 lockeren Geldpolitik vieler Notenbanken inklusive Minuszinsen.

Als nach den Lockdown-Phasen in den einzelnen Ländern die Konjunktur wieder anlief, geschah dies jedoch nicht zeitgleich. Dadurch entstanden preistreibende Phänomene von Rohstoffmangel über Produktionsverknappung wichtiger Zwischenprodukte wie Speicherchips bis hin zu Transportproblemen wegen Fachkräftemangels. Dies führte zu einer angebotsinduzierten Inflation. Der verregnete Sommer in weiten Teilen Europas sorgte 2021 außerdem für unterdurchschnittliche Ernten, was sich in erhöhten Lebensmittel- und Futterpreisen niedergeschlagen hat.

Die zum Teil deutlich gestiegenen Energie-, Produktions- und Transportkosten wurden an die Verbraucher weitergegeben, die nun z.B. in Deutschland unter der höchsten Inflationsrate seit fast 30 Jahren zu leiden haben.

Wie misst man eigentlich Inflation?

Die Inflation wird als quantitative Größe in Form der Inflationsrate gemessen, indem die Preise des Vorjahres mit der aktuellen Preissituation vergleichen werden. Doch welche Preise eigentlich?

Um möglichst exakt bemessen zu können, wie sich die Preissteigerungen vieler Produkte auf Verbraucher auswirken, konstruiert beispielsweise in Deutschland das Statistische Bundesamt einen Warenkorb, der die wichtigsten Produkte und Dienstleistungen, Mieten und sonstige Belastungen eines Haushalts umfasst. Dieser Warenkorb wird laufend aktualisiert, um gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen zu berücksichtigen. Innerhalb des Warenkorbs werden alle Produkte und Dienstleistungen gemäß ihrem Anteil an den Gesamtausgaben eines Haushalts gewichtet, um die reale finanzielle Belastung durch jeden Posten im Warenkorb abzubilden. Auf Basis monatlicher Erhebungen der Preise der im Warenkorb befindlichen Produkte und Dienstleistungen wird dann der Verbraucherpreisindex berechnet, kurz VPI. Dadurch können Preisänderungen zeitnah erfasst werden.

Darüber hinaus werden aber auch Qualitätsänderungen berücksichtigt, die gerade bei Kommunikationselektronik und Computern im Verlauf der Zeit erheblich sein können. Man denke nur an die rasante Entwicklung der mobilen Kommunikation.

Um auch die Inflationsrate innerhalb von Währungsgemeinschaften wie der EU messen zu können, wird monatlich außerdem der HPVI – der harmonisierte Verbraucherpreisindex – berechnet. Dieser wird von jedem Euro-Staat anhand gemeinsam abgestimmter Methoden aus dem jeweiligen nationalen VPI abgeleitet, so dass z.B. die Ergebnisse von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien miteinander vergleichbar werden.

Der Goldpreis in Zeiten von Inflation und Krisen: ein Blick zurück

Mit dem Inkrafttreten des Bretton-Woods-Abkommens, dem Nachfolger des klassischen Goldstandards, wurde der Goldkurs 1944 bei 35 US$ pro Unze fixiert. Mit dem Ende des Bretton-Woods-Systems 1973 wurde der Goldpreis wieder freigegeben und stieg binnen kurzer Zeit auf 107 US$. Ende 1973 begann auch die erste weltweite Ölkrise – Folge des Ölembargos durch die OPEC wegen des Jom-Kippur-Krieges. In fast allen Industrieländern führte sie zu höheren Inflationsraten. Die US-Notenbank reagierte zunächst verhalten auf die Inflation; erst während der zweiten Ölkrise 1979/1980 – diesmal ausgelöst durch die Islamische Revolution und den folgenden Golfkrieg – konterte die Fed die inzwischen auf 15 Prozent angestiegene Inflationsrate in den USA mit einer Anhebung des Leitzinses auf 20 Prozent. Der Goldpreis, der nach einem starken Anstieg während der ersten Ölkrise später wieder nachgegeben hatte, stieg Anfang 1980 auf sein damaliges Rekordhoch von 850 US$ pro Unze.

Nachdem die Inflationsraten wieder auf ein niedriges Niveau gesunken waren, gab auch der Goldpreis nach. Seinen Tiefpunkt erreichte er im März 2001 mit nur 256 US$ je Unze, als die allgemeine Aktieneuphorie Anleger mit der Aussicht auf schnelle Gewinne aus dem Gold und an die Börsen trieb.

Seitdem hat es vor 2021 keine größeren Phasen der Inflation in den USA und den meisten Ländern der EU gegeben, was den Goldpreis allerdings nicht daran hinderte, bis August 2020 auf ein Allzeithoch von über 2.000US$ zu steigen. Nicht nur Phasen von Inflation, sondern auch Krisen beflügeln den Goldpreis: So stieg er im Laufe der weltweiten Finanzkrise im August 2011 auf 1.900 US$. Angesichts der zahlreichen geopolitischen Krisensituationen wie Brexit, US/chinesischer Handelskrieg, etc. lieferte sich das Edelmetall ab Ende 2018 eine Rallye, die aufgrund der Corona-Pandemie bis Mitte 2020 andauerte.

Nach dem erwähnten Allzeithoch hat sich Gold 2021 bei rund 1.800 US$ pro Unze eingependelt. Sowohl während der Finanzkrise als auch der geopolitischen Krisen seit 2018 herrschte keine starke Inflation in den USA und anderen Industrienationen, woraus sich schließen lässt, dass Gold von Anlegern nicht nur als Inflationsschutz, sondern generell als sicherer Hafen geschätzt wird.

Schützen Goldanlagen vor Inflation?

Nach Berechnungen der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch hat Gold seit Ende 1973, als der frei am Markt ermittelte Preis bei 107 US$ lag, bis Ende 2021 mit einem durchschnittlichen Preisanstieg von 6,1 Prozent die durchschnittliche Inflationsrate in den USA um 2 Prozent übertroffen und sich damit als langfristiger Wertspeicher und Inflationsschutz bewährt.

Wer sein Geld vor Inflation schützen will, hat eine Vielzahl von Möglichkeiten, dies über eine Goldanlage zu tun. Eine Direktinvestition in physisches Gold stellt die ultimative Sicherheit im Falle des Zusammenbruchs der Finanzsysteme dar, ist aber auch die teuerste Möglichkeit, in Gold zu investieren. Der Goldmarkt ist mit einem täglichen Handelsvolumen von weltweit rund 170 Mrd. US$ zwar einer der liquidesten Märkte der Welt und garantiert dadurch sehr enge Handelsspannen, davon profitieren jedoch in erster Linie Großhandel und institutionelle Investoren. Beim Kauf von Goldbarren oder -münzen beim Juwelier oder der Hausbank müssen Privatanleger mit relativ hohen Handelsspannen rechnen; auch die sichere Aufbewahrung des Edelmetalls erzeugt Kosten.

Deutlich günstiger gestaltet sich der Kauf von hochliquiden Wertpapieren, die den Goldpreis bzw. dessen Entwicklung abbilden. Hohe Anlagesicherheit bieten dabei vor allem sogenannte Gold-ETCs (börsengehandelte Rohstoffe), sofern sie zu 100 Prozent mit physischem Gold besichert sind.

Einige Gold-ETCs wie z.B. bei Xetra-Gold verbriefen außerdem eine jederzeitige Auslieferung von physischem Gold im Wert des ETC-Anlagebetrags. Dadurch genießt der Anleger sowohl die Vorteile des kostengünstigen Kaufs und Verkaufs von Gold über die Börse als auch den Zugriff auf physisches Gold, wenn dies gewünscht ist.

Wann ist der richtige Zeitpunkt zur Goldanlage?

So zuverlässig Gold langfristig als Wertspeicher ist, so volatil zeigt sich der Goldpreis häufig auf kurze Sicht: Durch die Doppelfunktion des Edelmetalls sowohl als knapper Rohstoff als auch als Wertanlage hängt die Goldpreisentwicklung von deutlich mehr Faktoren ab als es beispielsweise bei der Kursentwicklung einer Aktie der Fall ist.

So kann Gold kurzfristig als Investitionsschutz enttäuschen: Zwar kurbelt eine steigende Teuerungsrate definitiv die Goldnachfrage an, wie das Beispiel Türkei aktuell zeigt, wo die monatliche Inflationsrate sich 2021 zwischen 15 und 36 Prozent bewegte, jedoch können andere Faktoren den Goldpreis gleichzeitig negativ beeinflussen.

Deshalb muss die Antwort auf die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für eine Goldanlage lauten: Es ist immer der richtige Zeitpunkt – vorausgesetzt man ist bereit, langfristig in das Edelmetall zu investieren. Dies hat übrigens auch einen positiven Effekt auf das komplette Anlegerportfolio: Schon eine Goldbeimischung von nur fünf Prozent kann die risikobereinigte Performance eines typischen Aktien/Anleihen-Portfolios verbessern – und das bei einer angenommenen Krisenwahrscheinlichkeit von 15 Prozent. Angesichts der Inflation, der noch nicht überwundenen Corona-Pandemie und dem bestehenden geopolitischen Konfliktpotenzial – Russlands Bedrohung der Ukraine, Chinas erklärtem Anspruch auf Taiwan – ist dies zumindest für 2022 eher konservativ geschätzt.

Arnulf Hinkel
Finanzjourmalist

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