Portfolio-Diversifikation: So reduzieren Sie Ihr Anlagerisiko
Goldwissen Arnulf Hinkel, Finanzjournalist – 14.08.2020
Erfahren Sie, was Portfolio-Diversifikation bedeutet und wie sie Ihr Depot krisensicherer machen können, ohne auf Renditechancen zu verzichten.
Diese Faustformel ist den meisten Anlegern bekannt: Je höher die Renditechance, desto höher eben auch das Risiko einer Geldanlage. Dies ist richtig – zumindest zum Teil. Denn was diese Börsenweisheit unterschlägt, sind die Konsequenzen für Anleger, wenn der Risikofall tatsächlich eintritt. Deshalb ist Risiko als Zusammenspiel von Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung zu definieren. Dazu ein Beispiel: Ein Anleger will auf Nummer Sicher gehen und wählt daher die sicherste aller Anlageformen: ein Spar- oder Tagesgeldkonto. Dieses bietet kaum Renditechancen, gilt aber als sehr sichere Geldanlage, denn die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Verlustfalls ist extrem gering. Dabei wird jedoch übersehen, dass der Eintritt dieses Falles – z.B. wenn im Verlauf eines länderübergreifenden Bankencrashs die Einlagensicherungen der Banken möglicherweise nicht mehr ausreichen – die kompletten Ersparnisse des Anlegers betreffen kann.
Hätte der Anleger sein Erspartes wiederum in Aktien eines bestimmten Unternehmens gesteckt, wäre die Renditechance deutlich höher; bei Eintritt des Risikofalls droht im Extremfall jedoch ebenso ein extremer Verlust, Stichwort Wirecard. Ganz anders sieht es aus, wenn Anleger ihr Geld auf verschiedene Aktientitel verteilen, darunter womöglich noch ein ETF (Exchange-Traded Fund, ein Indexfonds, der einen kompletten Markt abbildet). Selbst wenn das grundsätzliche Risiko in punkto Eintrittswahrscheinlichkeit bei allen Titeln gleich hoch wäre: Die theoretischen Auswirkungen auf die Geldanlage insgesamt sind längst nicht so drastisch wie im Fall einer Einzelanlage. Damit sind wir beim Thema Portfolio-Diversifikation – der Kunst, bei einem angestrebten Renditeziel das Verlustrisiko deutlich zu reduzieren.
Anlageklassen intelligent mischen und Risiko streuen
„Nicht alle Eier in einen Korb legen!“ Diese Börsenweisheit hat jeder Portfoliomanager verinnerlicht – und daran sollte sich auch jeder Privatanleger halten. Dass eine Geldanlage, die auf unterschiedliche Schwerpunkte setzt, ein deutlich geringeres Totalverlustrisiko für ein Anleger-Portfolio birgt, ist einleuchtend. Allerdings sind die Arten von Finanzprodukten, die Anleger zur Portfoliobeimischung auswählen, keineswegs egal – und zwar sowohl in Bezug auf die Risikostreuung als auch die Performance. Experten nennen dieses Zusammenspiel „Anlagen-Teamwork“.
Diese Anlageklassen eignen sich zur Diversifikation
Bevor in diesem Beitrag die Korrelationen, also die wechselseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten, der verschiedenen Anlageformen betrachtet werden, sollen an dieser Stelle erst einmal alle in Frage kommenden Anlageklassen vorgestellt werden. Grundsätzlich unterscheidet man sichere Anlagen wie Tages- und Festgeld sowie Euro-Staatsanleihen zur Absicherung des Portfolios, während Aktien, Staatsanleihen von Schwellenländern, Immobilien und Rohstoffe riskantere Anlageklassen darstellen und damit als Renditebringer fungieren.
Diversifikation innerhalb von Anlageklassen
Natürlich ist auch eine Risikostreuung innerhalb einer Anlageklasse möglich – man denke an Aktien aus Industrieländern gegenüber solchen aus Schwellenländern. Letztere weisen ein wesentlich höheres Wachstumspotenzial auf, sind aber als Geldanlage auch ungleich riskanter, z. B. weil die politischen Verhältnisse in dem jeweiligen Land weniger stabil sind als in Europa oder den USA. Das gleiche gilt natürlich auch für Staatsanleihen und, mehr noch, für Unternehmensanleihen verschiedener Regionen der Welt. So bieten beispielsweise internationale Hochzinsanleihen von Unternehmen mit geringer Kreditwürdigkeit sog. High-Yield Bonds, höhere Renditechancen, gleichzeitig aber ein deutlich größeres Verlustrisiko als Schwellenländeranleihen, die wiederum renditeträchtiger und riskanter als Anleihen aus Industriestaaten sind.
Ebenfalls zur Diversifikation eignen sich Aktien und Unternehmensanleihen verschiedener Branchen: So haben laut dem Anlagestrategiemagazin Fairvalue die Aktien internationaler Lebensmittelkonzerne recht problemlos alle Krisen seit der Jahrtausendwende überstanden, während bei den Aktien mittlerer und großer Unternehmen in den Industrieländern im Falle von Börsencrashs Verluste von mehr als 50 Prozent möglich waren.
Korrelationen beachten, Scheindiversifikation vermeiden
Um im Depot das Anlagerisiko bestmöglich zu streuen ist es wichtig, dass die ausgesuchten Wertpapiere und Anlageklassen eine möglichst geringe Korrelation zueinander pflegen. Eine Korrelation zwischen zwei Anlagen kann zwischen 1 (beide entwickeln sich in bestimmten Marktsituationen in die gleiche Richtung) bis -1 (beide entwickeln sich in bestimmten Marktsituationen entgegengesetzt) betragen.
Wenn unterschiedliche Werte in einem Portfolio eine hohe Korrelation aufweisen, spricht man von einer Scheindiversifikation: Man hat seine Geldanlage auf verschiedene Anlageklassen verteilt, ohne das Risiko tatsächlich zu reduzieren, da sich alle im Depot befindlichen Anlagen ähnlich entwickeln. Als Beispiel seien hier europäische Aktien genannt, die laut MultiAsset.com nicht nur eine Korrelation von 0,75 zu US-Aktien und 0,73 zu Schwellenländeraktien aufweisen. Sie korrelieren auch zu 0,77 mit europäischen Hochzinsanleihen und zu 0,56 mit europäischen Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Viel besser zur Diversifikation eines Portfolios mit europäischen Aktien eignen sich Euro-Staatsanleihen mit einer Korrelation von 0,15 sowie Gold, das gar keine Korrelation aufweist.
ETFs helfen bei der Streuung von Anlagerisiken
Nicht umsonst erfreuen sich ETFs bei Privatanlegern großer Beliebtheit: Schließlich investiert man hier nicht in einen Einzeltitel, sondern gleich in einen ganzen Markt bzw. eine komplette Branche. Allerdings ist eine Diversifikation mit ETFs nur dann erfolgreich, wenn analog zur Risikostreuung mit Einzeltiteln auf eine möglichst geringe Korrelation zwischen den Branchen und Märkten geachtet wird, die als Basis für die Indexfonds dienen. Bis zu einem gewissen Grad können ETFs im Depot aber durchaus helfen, das Anlagerisiko zu reduzieren. So bietet z.B. ein ETF auf den deutschen Benchmark-Index DAX® einen wirkungsvollen Schutz im Fall einer Flaute einzelner Branchen – dieser reduziert sich allerdings stark, wenn die gesamtdeutsche Wirtschaftslage in Schieflage gerät.
Einzelaktien vs. DAX während der Corona-Pandemie
Wie positiv sich Diversifikation im Portfolio auswirkt, lässt sich durch einen Vergleich des gesamten DAX mit seinen Einzeltiteln eindrucksvoll belegen: Im ersten Halbjahr 2020 machte die Aktie des Sportherstellers adidas ein Minus von 16,32 Prozent, die Aktie der BASF verlor 20,36 Prozent, und auch die Bayer-Aktie büßte 20,25 Prozent an Wert ein. Auch die Aktien der Autohersteller Volkswagen und BMW verloren mit 19,42 und 12,69 Prozent kräftig an Wert. Im gleichen Zeitraum jedoch büßte der deutsche Benchmark-Index insgesamt jedoch nur knapp 11 Prozent ein. Die schlechte Performance einzelner DAX-Werte konnte also trotz der weltweiten Corona-Krise durch die im Index „automatisch“ enthaltene Diversifikation zumindest teilweise aufgefangen werden.
Die Sonderrolle von Gold in Krisenzeiten
Gold ist aus einem diversifizierten Portfolio kaum wegzudenken. Neben der Funktion des Edelmetalls als Inflationsschutz und sicherer Hafen in Krisenzeiten kann eine Beimischung von 5 Prozent durchaus auch außerhalb von Krisen portfoliostabilisierend wirken und einen Beitrag zur Performance leisten, speziell in den heutigen Zeiten von Niedrig- bzw. Minuszinsen, da Geldmarktangebote aktuell keine Konkurrenz für Gold darstellen. Zur Hochform läuft das Edelmetall jedoch in Krisenzeiten auf, denn dann kann sich die Korrelation von Gold zu Anlageklassen wie Aktien ändern. Sie dreht sich aus einer neutralen Position ins Negative, d.h. der Goldpreis entwickelt sich umgekehrt proportional, wie ein kurzer Vergleich der Performance von Gold mit der Entwicklung des DAX während einer Krise zeigt.
DAX vs. Gold während der Corona-Pandemie
Am 22. Januar 2020 erreichte der DAX mit 13.640 Punkten seinen bisherigen Höchststand, Gold stand an diesem Tag bei 45,15 €/Gramm. Fünf Tage später, am 27. Januar, wurde der erste Fall einer Corona-Infektion in Deutschland bekannt. Im Zuge der weltweiten Ausbreitung des Virus und der in Deutschland und vielen anderen Ländern verordneten Kontaktbeschränkungen stürzte der deutsche Leitindex ab. Seinen Tiefpunkt erreichte er am 18. März mit 8.441 Punkten. Seitdem hat er wieder zugelegt: Mit dem Ende des Lockdowns sowie der Lockerung der Beschränkungen für viele Branchen und für die Industrie hat sich der DAX in Erwartung einer V-förmigen Konjunkturerholung bis Ende Juli 2020 wieder auf 12.313 Zähler heraufgearbeitet. Gold lag zu diesem Zeitpunkt bei 53,08 €. Während der DAX – wie bereits erwähnt – trotz starker Erholung knapp 11 Prozent verloren hat, legte Gold knapp 18 Prozent zu und hat sich somit erneut als stabilisierender Anker während einer Krise bewährt. Lediglich Mitte März brach der Goldpreis kurzfristig ein , nachdem die Aktienmärkte weltweit kollabierten. Dies verursachte offenbar die Flucht zahlreicher Großinvestoren aus den Terminmärkten, und Gold wurde verkauft, um die Verluste auf dem Aktienmarkt zu decken.
Fazit: Diversifikation empfiehlt sich für jedes Portfolio
Ein intelligent diversifiziertes Portfolio ermöglicht es Anlegern, Einbrüche in bestimmten Branchen bzw. Regionen deutlich besser zu überstehen als mit wenigen Einzeltiteln im Depot. Nicht immer muss ein erfolgreich diversifiziertes Portfolio dabei eine Mischung aus Immobilien, Rohstoffen und Wertpapieren enthalten. Einzelne Aktien machen jedoch bei kleineren und mittleren Geldanlagemöglichkeiten wenig Sinn – mit ETFs sind Privatanleger meist besser bedient, da sie mit Indexfonds ein breiteres Anlagespektrum abdecken und gleichzeitig ein gewisses Maß an Diversifikation erreichen können. Außerdem empfiehlt sich eine Beimischung von Gold, das in Krisenzeiten (wie der aktuellen Corona-Pandemie) einen sicheren Hafen darstellt. Eine quantitative Analyse der Unternehmensberatung Mercer Deutschland belegt, dass bereits bei der angenommenen Wahrscheinlichkeit eines Krisenszenarios von nur 15 Prozent eine Beimischung von 5 Prozent Gold im Portfolio eine sinnvolle Diversifikation darstellt. In der Studie wurden die Gewinn- und Verlustchancen eines Aktien-Anleihen-Portfolios mit denen eines Aktien-Anleihen-Gold-Portfolios verglichen. Die Mercer-Studie belegt, dass jede im Modell anvisierte Zielrendite im gesamten Renditespektrum mit einem goldhaltigen Portfolio ebenso erreicht werden kann wie ohne Goldbeimischung. Gleichzeitig fällt jedoch das Verlustrisiko bei dem Portfolio mit Goldbeimischung geringer aus als beim reinen Aktien-Anleihen-Portfolio.
Arnulf Hinkel
Finanzjournalist
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