Vom Goldrecycling zum Urban Mining
Goldwissen Arnulf Hinkel, Finanzjournalist – 21.01.2021
Gold ist eines der seltensten Elemente auf der Erde, und der Abbau des Edelmetalls ist extrem aufwendig. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Gold in den letzten Jahrzenten fast ständig gestiegen: Von den rund 200.000 Tonnen, die heute in Form von Schmuck oder als Investment weltweit im Umlauf sind, wurden zwei Drittel erst seit 1950 gefördert. Beim derzeitigen Stand der Goldproduktion – zwischen 3.000 und 3.500 Tonnen jährlich – könnten laut des Jahresberichts 2019 des U.S. Geological Survey die heute wirtschaftlich abbaubaren Goldvorkommen der Erde in 15 Jahren erschöpft sein. Dies ist jedoch nicht der einzige Grund, weshalb Goldrückgewinnung immer wichtiger wird: Der ökologische Fußabdruck, den klassische Goldförderung in Minen hinterlässt, ist enorm. Neben der Belastung der Umwelt und der Verwendung hochgiftiger Substanzen wie Cyanid und Quecksilber spielen vor allem der hohe Energieverbrauch und der dadurch bedingte CO2-Ausstoß eine große Rolle. Zur Herstellung eines Kilo Golds werden selbst bei Einsatz modernster, umweltverträglichster Technologien zwischen 12 und 16 Tonnen CO2 freigesetzt. Die Klimabilanz von recyceltem Gold sieht da schon viel besser aus: Bei der Herstellung von einem Kilo Altgold beträgt die CO2-Emission lediglich 53 Kilogramm – weniger als ein Zwanzigstel. Während Altgold inzwischen bis zu 100 Prozent recycelt wird, werden zahlreiche andere Quellen von Recycling-Gold wenig oder gar nicht genutzt. Hier schlummert noch ein gewaltiges Optimierungspotenzial.
Vielversprechende Ansätze für eine nachhaltigere Goldgewinnung
Nach wie vor findet die Gewinnung von Gold primär im industriellen Bergbau statt. Zur Errichtung von Goldminen sind Sprengungen notwendig, Wälder müssen gerodet und Flüsse gestaut werden. Da die größten Goldminen primär in Regionen betrieben werden, in denen Naturschutz lange Zeit vernachlässigt wurde, wie z.B. in Südafrika, China oder Russland, ist das Bestreben zu mehr Nachhaltigkeit noch relativ neu.
Einen ersten guten Schritt in diese Richtung macht der Responsible Jewellery Council (RJC). Der RJC ist ein Zusammenschluss von internationalen Unternehmen und Handelsverbänden der Gold- und Diamantenindustrie und steht für konfliktfreies Gold – auch Fairtrade-Gold genannt. 2005 führte der RJC eine Zertifizierung ein, die goldproduzierende Unternehmen nur dann erhalten, wenn sie ganz bestimmte Standards einhalten. Hierzu gehören eine ethische, sozial- und umweltverträgliche sowie menschenrechtskonforme Unternehmenspolitik entlang der gesamten Leistungskette. Alle drei Jahre werden sogenannte Code-of-Practice- und Chain-of-Custody-Zertifizierungsaudits durchgeführt, um die dauerhafte Einhaltung der Standards zu gewährleisten. Viele bedeutende goldproduzierende Unternehmen sind inzwischen zertifiziert.
Weitere vielversprechende Ansätze zielen darauf ab, umweltbelastende Substanzen zur Herauslösung des Goldes aus dem Erz komplett durch ungiftige zu ersetzen. So kann beim industriellen Goldabbau durch den Einsatz von Jig Wasserpropulsationsanlagen und Konzentratorzentrifugen nach dem Knelsonprinzip auf die Verwendung von Cyanid verzichtet werden. Eine Jig Wasserpropulsationsanlage ist ein Konzentrator, bei dem die Mineralientrennung mit Hilfe von Wasser durchgeführt wird. Das Knelsonprinzip bezeichnet die vollautomatische Trennung von Mineralien anhand ihres jeweiligen spezifischen Gewichts durch eine Konzentratorzentrifuge. 2019 hat außerdem die australische Forschungsorganisation CSIRO mit ihrem Projekt „Going for Gold“ eine professionelle Methode der Goldgewinnung zur Anwendungsreife gebracht, bei der Cyanid durch die wesentlich umweltverträglichere Schwefelverbindung Thiosulfat ersetzt wird.
Aber auch für den Kleinbergbau und für Goldwäscher gibt es seit einiger Zeit Möglichkeiten, auf den Einsatz von hochgiftigem Quecksilber zu verzichten oder das Einsickern in den Boden zu verhindern. So kann durch sogenannte Retorten die Umweltbelastung um 99 Prozent reduziert werden. Als Retorten bezeichnet man geschlossene Anlagen, die beim Erhitzen der Quecksilberverbindungen das verdampfte Quecksilber auffangen.
Eine weitere Innovation ermöglicht sogar den völligen Verzicht auf Gifte im Kleinbergbau: Beim sogenannten Wilfley-Verfahren kommen Rütteltische zum Einsatz, die Pre-Konzentrate aus Gesteinsmühlen und Konzentratorrinnen vollautomatisch bearbeiten, d.h. die wertvollen Mineralbestandteile vom Gestein trennen. All diese und zukünftige innovative Ansätze werden perspektivisch zu einem deutlich umweltverträglicheren Goldabbau führen, aber vermutlich niemals die Klimafreundlichkeit moderner Recyclingprozesse erreichen – speziell hinsichtlich der CO2-Emissionen.
Gold-Recycling: die nachhaltige Alternative zum klassischen Bergbau
Gold ist ein knappes, gleichzeitig aber auch sehr begehrtes Edelmetall, was nicht zuletzt an seiner dualen Funktion als wertvoller Rohstoff und zugleich als Geldanlage in Form von Münzen oder Barren liegt. Klar, dass Gold in nicht mehr gebrauchter oder erwünschter Form nicht entsorgt, sondern wiederaufbereitet wird. Die Goldrückgewinnung ist so alt wie die Wertschätzung des Edelmetalls durch den Menschen – zumindest in ihrer einfachsten Form: dem Recycling von Altgold, etwa aus Schmuck, Münzen oder Zahnfüllungen. Der Anteil an Recycling-Gold an der Gesamtproduktion steigt seit vielen Jahren langsam aber stetig und macht inzwischen mehr als ein Viertel des jährlichen Weltmarktangebots aus. Diese Entwicklung verläuft jedoch nicht ganz linear, denn die Goldrückgewinnung hängt im hohen Maße vom jeweiligen Goldpreis ab. Betrug der Anteil von recyceltem Gold am Gesamtangebot in den letzten drei Jahren zwischen 25,2 und 27,3 Prozent, so erreichte er 2009 mit 42 Prozent sein bislang höchstes Niveau. Der Grund dafür liegt in dem Zusammentreffen zweier Motivatoren, die Goldbesitzer so stark wie nie zuvor zum Verkauf ihres Altgoldes bewegt haben: einerseits der Wunsch nach mehr Liquidität aufgrund der Auswirkungen der Finanzkrise, andererseits der hohe Goldpreis, der den Verkauf von Altgold besonders attraktiv machte. Demnach scheint also auch die Bereitschaft von Goldbesitzern zum Verkauf von recyclingfähigem Altgold ausschlaggebend dafür zu sein, wie hoch der Anteil von Recycling-Gold am Weltmarktangebot ausfällt. Entscheidend dabei ist allerdings auch, wie einfach bzw. kostengünstig das angebotene Altgold aufbereitet werden kann.
Goldrückgewinnung: die gängigsten Verfahren und Prozesse
Altgold weist in den seltensten Fällen eine Reinheit von 999,9/1000 auf, wie sie bei Feingold in Barrenform vorliegt. Bei Schmuckgold beispielsweise findet sich in Europa meistens eine Legierung von 14 Karat, was einer Reinheit von 585/1000 entspricht, der Feingoldanteil beträgt also 58,5 Prozent. Um durch das Recycling von Altgold wieder reines Feingold zu gewinnen, muss es von den anderen Bestandteilen des Altgolds – meistens andere Metalle oder Kunststoffe – getrennt werden.
Die weitverbreitetste moderne Recyclingtechnik ist das elektrochemische Anodenschlammverfahren. Dabei wird das Edelmetall ohne Zuhilfenahme von umweltbelastenden Substanzen wie Quecksilber oder Cyaniden elektrolytisch abgeschieden. Diese Methode wird auch elektrolytische Raffination (Reinigung, Veredlung) genannt.
Zur Goldrückgewinnung aus Legierungen wird häufig auch das nasschemische oder Aufschluss-Verfahren genutzt. Hierbei wird zunächst eine Abscheidung mit Aqua Regia – Königswasser, die einzige Säure, die imstande ist, Gold aufzulösen – durchgeführt, danach wird das Resultat mit Schwefeldioxid reduziert und schließlich mittels Elektrolyse isoliert.
Eine weitere Methode der Goldrückgewinnung ist das Pyrolyseverfahren, das eine Kombination aus Veraschung des goldhaltigen Scheidguts bei hohen Temperaturen mit anschließender Einschmelzung darstellt.
Vor diesen Aufbereitungsverfahren steht häufig eine mechanische Aufbereitung des goldhaltigen Scheidguts, indem es zur Generierung einer homogenen Struktur erst einmal geschreddert, gemahlen und gesiebt wird. Alle genannten Methoden haben sich besonders beim Recycling von Scheidgut mit hohem Goldanteil, wie z.B. bei Zahngold, als kosteneffizient und umweltschonend bewährt. Anders sieht es bei der Goldrückgewinnung aus Quellen mit sehr geringem Goldanteil aus.
Urban Mining: Wie aus Schrott Gold wird
Während alter Goldschmuck, Zahngold sowie Gold aus Industrieanlagen heute vollständig recycelt werden, sind es bei der Rückgewinnung von Gold aus sogenanntem Elektroschrott bislang nur etwa 15 Prozent. Dabei kann man beispielsweise aus dem Recycling von 40 Smartphones genauso viel Gold gewinnen wie aus einer Tonne Erz aus einer Goldmine. Eine Tonne PC-Platinen enthält über 100 Gramm Gold. Auf Europas Straßen fahren zurzeit rund 440 Tonnen Gold als Bestandteil von 260.000 Fahrzeugen, von denen die wenigsten bei Verschrottung in den Recycling-Kreislauf integriert werden. Laut der Informationsplattform für Edelmetalle Gold.info bleibt auf diese Weise Gold im Wert von 3,7 Mrd. € ungenutzt und wird als wertloser Elektroschrott in Schwellenländer verschifft.
Warum wird dieses Potenzial nicht stärker genutzt? Schließlich könnte eine konsequente Goldrückgewinnung gerade Industriestaaten mit meist geringen eigenen Goldvorkommen unabhängiger von typischen Goldländern wie China oder Russland machen. Die Antwort liegt zum einen in dem vergleichsweise hohen Aufwand, der mit dem Recycling von Elektroschrott verbunden ist, zum anderen aber auch in der mangelnden Nachhaltigkeit: Während die Goldrückgewinnung aus Smartphones und PCs ohne Umweltgifte möglich ist, wird gleichzeitig aber auch eine Menge Energie verbraucht, die wiederrum zu hohem CO2-Ausstoß und damit zu einer ungünstigeren Ökobilanz führt.
Ist also die Produktion von grünem Gold aus Elektroschrott unmöglich? Keineswegs, denn der Energieverbrauch beim Urban Mining kann durch einen innovativen Ansatz halbiert werden: Statt Platinen von Smartphones und PCs einzuschmelzen, kann die Herauslösung von Gold durch Mikroben erfolgen. Bis diese Methode auf alle Formen von Elektroschrott angewendet werden kann, dauert es nach Angaben der Brain Biotechnology AG allerdings noch. So müssten u.a. etablierte Recycling-Strukturen weitgehend umgebaut werden.
Fazit: Recyceltes Gold auf der Überholspur
Der ökologische Fußabdruck von Gold hat sich in den letzten Jahren deutlich verkleinert. Neben umweltfreundlicheren Förderungsmethoden ist es vor allem die Goldrückgewinnung, die das Edelmetall grüner werden lässt – vor allem, wenn Urban Mining weiter intensiviert wird. Dies ist nicht nur wichtig für die Erhaltung der Umwelt, sondern trägt auch den Wünschen einer wachsenden Zahl von Anlegern Rechnung, die nachhaltig investieren wollen, ohne auf die portfoliostabilisierende Wirkung von Gold verzichten zu müssen.
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